Es gibt fünf (oder sechs) verschiedene Haupt-Stilrichtungen von Tai Ji und diese lehren verschiedene Formen (z.B. Kurzformen mit 18, 24, oder 26 oder 36 Figuren und Langformen mit 88 oder 108 Figuren). Zudem hat jede Schule und jeder Lehrer die eigenen Themen, den eigenen Tai Ji Hintergrund, die eigenen Erfahrungen mit dem Körper usw.
Die meisten Tai Ji Gruppen in der Schweiz üben Yang-Stil Tai Ji, eine Richtung mit regelmässigen langsamen Bewegungen. Doch auch hier gibt es die Zheng Man Ching Form … auch die «alte» 24-Form, … und die neuere «Bejing-Stil» 24 Form … dazu unendlich viele schöne Varianten!
Für die Schüler heisst es – falls man die Schule wechselt – dass man die Choreografie der Form neu lernen muss. Ein erfahrener Tai Ji-Spieler hat damit wenig Mühe, doch ist dies für viele Anfänger sehr umständlich und frustrierend. Doch es gibt die Tai Ji Prinzipien, die korrekte Haltung, Bewegung und Energiearbeit erklären, egal welche Formvariante man lernt und übt.
Auch hier sind sich die vielen, vielen Experten nicht einig. Ich brauche gerne die zehn Grundprinzipien von Yang Chengfu (Vater des Yang-Stils) als Referenz. Ich habe sie hier aufgelistet und mit Notizen aus dem Unterricht ergänzt. Bei gewissen Themen habe ich weiterführende Übungen notiert.
Diese Prinzipien sind die Schlüssel zur entspannten Bewegung. Wenn man sie sorgfältig (beim Tai Ji) anwenden kann, dann kann man Tai Ji richtig verstehen – und dies lernt und versteht man am eigenen Leib!
1) Den Kopf entspannt aufrichten
bu de qian fu hou yang – kein Kopfneigen und Kopf nicht in den Nacken legen
• Der Kopf streckt sich, so dass der Nacken gerade wird. (Kinn nach unten bewegen, „Faden am bai hui“ vorstellen.) Der Blick geht geradeaus. In dieser Position ist die Wirbelsäule gerade und natürlich entlastet; die Balance wird massiv erleichtert und die stolze, aufrechte Haltung möglich.
2) Die Brust zurückhalten und den Rücken gerade dehnen
chu chu you hu xing – überall bogenförmig sein (runde Bewegungen)
han xiong ba bei – Brust zurückhalten, Rücken „strecken“
• Der Brustkorb soll auf natürliche Weise gehalten werden, d.h. weder künstlich herausgestreckt noch zu sehr nach innen eingesunken sein. („Jesus-Arme-Haltung“ bzw. grosser Ball halten). Energiefluss in den Armen wird so optimiert!
• Auch hinten die angenehme gestreckte, runde Haltung wahrnehmen. (Schulterblätter sind offen und der jiaji Punkt ist nicht unter Druck.)
3) Das Kreuz (Becken und LWS) locker lassen
song yao– das Becken ist gelöst und das Kreuzbein hängt
bu de gao di qi fú – kein hoch und tief bzw. kein auf und nieder
• sich ein Gewicht am Steissbein vorstellen
4) Die Leere und die Fülle auseinander halten
shàng bù rú mao xíng – beim Schritt sich wie eine Katze bewegen
xu shi fen ming – voll und leer genau unterscheiden
• Beinarbeit: nie 50/50! Das Standbein bewusst wahrnehmen.
• Vorstellungsmöglichkeiten beim Schritt: Erden, Wurzel schlagen, Pfahl tief in den Boden setzen.
5) Die Schultern und die Ellenbogen hängen lassen
song jian chuí zhou Schultern entspannen und Ellenbogen sinken lassen
• Damit qi fliessen kann und damit die Tai Chi Bewegungen vom ganzen Körper (und zB nicht nur mit den Armen) ausgeführt werden.
• die Runde Armhaltung in jeder Bewegung behalten
• Gewichte an den Ellbogen vorstellen (Schultergelenke entspannen sich automatisch)
• Marionetten-Hände vorstellen (so hängen die Ellbogen tiefer und die Schultern entspannen sich)
• auf Handentspannung achten und qi in den Fingern fliessen lassen
6) Das Yi und nicht die Gewaltkraft anwenden
yong yi bu yong li – Vorstellung statt Rohkaft benutzen
yi yao dai shou– mit der Hüfte die Arme führen (mitnehmen)
sui zou sui fan– wo auch immer bewegt wird, wird auch gedreht
• Hier geht es um die Verminderung von Spannungen so dass Kraft fliessen darf
• Entspannt & stabil … was heisst „stabil“? Armkraft und Schulterspannung muss reduziert werden, so dass die Energie nach unten sinken kann.
7) Die Koordination von oben und unten
shang xia xiang sui oben und unten folgen sich (überlappende, koordinierte Bewegungen)
• Die Bewegungskette (Arme ganz am Schluss) kann in fast jeder TC Bewegung geübt werden.
• Stabilität. Ankommen & erden. (achtung Knie!!)… dann Rumpf … dann die Hände.
• Energie- (auch Intentions-/yi-) Fluss vom yong chuan zu den Händen
8) Die Harmonie zwischen innen und aussen
«Wenn das Innen, das heisst die Geisteshaltung, und das Aussen, das heisst die Bewegungen, harmonisch miteinander übereinstimmen, dann entsteht eine unteilbare Ganzheit von Körper und Geist.» (Tai Ji Forum). Dies erkläre ich gerne mit dem Spruch «Bewegen wie wir atmen, atmen wie wir bewegen.»
9) Der ununterbrochene Fluss
man man bu duan – sich ohne Unterbrechnung bewegen (kommen und gehen ohne „Schnitt“)
• Die Endpunkte der Tai Chi Figuren dauern nur „ein Blitzlicht“ lang, ohne dass es tatsächlich zu einem Anhalten kommen soll.
• Die kleinen Fussbewegungen beachten, auch diese sind langsam.
• Gruppentempo respektieren!
10) In der Bewegung ruhig bleiben.
• ohne Bremsen, ohne Beschleunigung
• Spannungen im Schulter-/Nackenbereich gelöst
• Aufmerksamkeit im Unterkörper (Dan Tian) und bei den Füssen/Beinen