«Weniger ist mehr!» – Wir hören diesen Spruch oft, nicken dazu wohlwollend/verstehend und doch finden wir es sehr sehr sehr schwerig, unsere Bewegungen minimaler auszuführen.

Unsere Wertevorstellung spielt hier eine grosse Rolle

Wir werden von klein auf erzogen, «sportliche» (sowie andere Arten von) Bewegungen positiv zu werten, dann wenn sie gross/schnell/kräftig/weit usw. sind.

So gewinnt man Pokale und wird man verehrt!!
So kommt man vorwärts im Leben !!

Doch verlangt eine kleinere, auch langsamere Bewegung oft mehr Kraft, mehr Aufmerksamkeit und mehr Steuerung. In der Langsamkeit können wir unsere Kraft, unsere Koordination und unsere Konzentration schulen. Das ist eine Erklärung, wieso harttrainierte Kampfsportler Tai Ji als zusätzliches Training machen, so dass sie diese Bewegungskompetenzen schärfen können.

Das «Umlernen» ist ja nicht einfach

Für den normalen Mensch kann diese langsame Art der Bewegung sehr frustrierend sein. Wenn der Lehrer die Bewegungen vormacht sieht alles so einfach und mühelos aus! Doch beim Nachmachen spürt man schnell am eigenen Körper dass man rasch ermüdet, oder dass es mit der Koordination nicht reicht, oder dass man die Langsamkeit einfach nicht «aushält».

Das «Körper-Lernen» (das Trainieren des motorischen Gedächtnisses) geht etwas langsamer als beim «Kopf-Lernen». Ich beobachte oft, dass Teilnehmer aus «erfolgreichen» Berufen etwas eher als die anderen Teilnehmer in der Tai Ji Stunde ihre Frustration signalisieren. Diese Menschen sind es gewohnt, schnell und flink zu lernen und auch entsprechend dafür belohnt zu werden. Doch funktioniert unser Körpergedächtnis nicht so wie beim Kopf!!  Das Lesen von Büchern über Tai Ji und anschauen von You Tube Videos helfen auch nur bedingt.

Es gibt hier eine Methode für alle: Üben. So werden Kraft, Koordination und Konzentration geschult und verbessert. Es kann sein dass Sie innerhalb von einigen Wochen merken, dass Sie sogar im Alltag ruhigere, minimalere, und schonendere Bewegungen machen. Vielleicht spüren Sie auch, wie diese Art von Bewegung dem Kopf bzw. der Seele gut tun! Es kann aber auch sein, dass der «Lernstress» für längere Zeit Aufmerksamkeit verlangt und dem achtsamen Erleben der Langsamkeit im Weg steht. Weiter üben und sich vielleicht weniger unter Druck setzen, Tai Ji «schnell» oder «perfekt» zu lernen und verstehen! Fortgeschrittene Tai Ji Übende erzählen gerne, wie sie nach 10 oder 20 Jahren Üben immer noch nicht das Gefühl haben, dass sie hier alles «verstanden» haben.

Ich verspreche: Tai Ji wird Sie ändern. Aber dies braucht eine Menge Zeit aktiver Übung.

Meine Botschaft ist vielleicht verwirrend: Einerseits sollten wir üben üben üben üben und doch sollten wir uns dabei nicht unter «Lerndruck» setzen. Aber ….!!?? Damit meine ich einfach:

… mehr bewegen, weniger studieren
… mehr Körper, weniger Kopf
… mehr selbstwahrnehmen, weniger (mit den Anderen) vergleichen
… mehr Ruhe, weniger Stress