Weniger ist mehr: Fuss, Knie und Hüfte entlasten.

Mit Tai Ji lernen und erleben wir die entspannte Stabilität. Unsere langsamen und bewussten Beinbewegungen ermöglichen es uns, unsere Energie nach unten zu lenken und sich «solid wie ein Berg» vorzukommen.

Diese Art von Laufen ist aber grundsätzlich anders und verlangt auch viel mehr Kraft und Steuerung als das «normale» Laufen. Wir tragen unsere Beine langsam in die Luft und langsam nach vorne und tragen sie auch immer noch während wir sie langsam auf dem Boden lassen. Wir sind es aber nicht gewöhnt uns so zu bewegen und oft spüren die Teilnehmer etwas Muskelkater im Kreuzbereich nach den ersten Tai Ji Lektionen. Mit etwas Übung werden diese Muskeln gestärkt und Sie spüren keine Schmerzen mehr.

In diesem Tempo können wir unsere Füsse ganz achtsam auf dem Boden abrollen und auch selbst merken, wann unser Körpergewicht bei den Fussballen wahrnehmbar ist. Und wir spüren dabei an unserer Fusssohle wie genau wir den Fuss abrollen. Wir wollen beim Abrollen unser Gewicht auf der äusseren Fusskante spüren. So bleibt unser Knie in der richtigen Position. Geniessen Sie das Abrollen …betrachten Sie diese Bewegung als Fussmassage und Achtsamkeitsübung zugleich!

Beim Fuss-Abrollen aktivieren wir die Fussreflexzonen und mit der Aufmerksamkeit auf den Fuss leiten wir unsere Vorstellung und Energie nach unten.

Es gibt ein paar weitere wichtige Details (zur Knieposition und auch zum Tai Ji Schritt), die uns helfen, diese Bewegungen möglichst belastungsfrei auszuführen. Ich erkläre gerne:

Das Knie schonen

Unsere Kniegelenke sind Übertragungsgelenke, d.h. sie leiten unser Oberkörpergewicht nach unten auf die Fusssohlen. Die Kniegelenke wurden aber nicht gebaut, um unser Oberkörpergewicht selbst zu tragen – wenn wir die korrekte Kniehaltung nicht beachten und unsere Knie zu weit nach vorne bewegen dann missbrauchen wir sie!

Beim Fusssetzen und -abrollen in Tai Ji (bzw. beim Stehen auf dem Standbein) sind die folgenden Details für die korrekte Haltung wichtig:

a) Knie über die Mitte des Fusses halten.

Beim Abrollen des Fusses (vom Fersen bis zu den Zehen) belaste ich eher die äussere Fusskante so dass mein Knie in der Schlussposition mit der Fussmitte aligniert ist. Um diese Position zu halten werden Sie ihre Beinmuskulatur benutzen und auch spüren! Das ist in Ordnung – wir trainieren unsere Kraft und Beinstabilität! Machen Sie eine Serie von Tai Ji «gong bu» Schritten und kontrollieren Sie nach dem Abrollen ob sich ihre Knie in der «Fussmitte» befindet.

b) Knie nicht zu weit nach vorne bewegen!

In der Abrollbewegung möchte ich sicher gehen, dass ich mit dem Knie nicht zu weit nach vorne komme! Dies kann man mit Selbstwahrnehmung gut kontrollieren: So bald Sie ihr Gewicht im Bereich der Fussballen spüren, ist die Gewichtsübertragung gerade optimal und sie sollten jetzt mit dem Knie nicht weiter nach vorne bewegen! Wenn Sie mit dem Knie weiter bzw. zu weit nach vorne bewegen werden sie ihren Fussballen weniger spüren und ihr Knie mehr spüren. Das ist ein klares Warnsignal: weniger ist mehr!!!

Für diese «optimale Position» wurde mit dem Knie erstaunlich wenig nach vorne bewegt, und es fällt den meisten Menschen schwer, diese Grenze zu beachten. Zur Kontrolle kann man nach unten schauen – Sind die Zehen noch sichtbar ist alles i.O. … aber falls ihr Knie die Sicht auf dem Fuss verdeckt, dann ist dies wahrscheinlich viel zu weit nach vorne. Es hilft hier, sich zu vorstellen, dass Gewicht/Kraft/Energie über Knie und Fuss in den Boden gehen, wie ein Pfahl.

Diese Knie-Details sind für Tai Ji praktizierende enorm wichtig, denn wir machen diese kraftvollen und langsamen Schritte abertausend Mal und könnten unsere Kniegelenke dabei überlasten oder sogar beschädigen. Meister Chen hat uns mit einem Bambus-Stecken kontrolliert – damit hat er bei unseren Schritten die Position und das Ausmass der Bewegung kontrolliert und uns dann (spielerisch) damit gezwackt, wenn unsere Haltung (noch) nicht stimmte.

Kleine Schritte

Nochmals: Weniger ist mehr!

Beim Tai Ji Schritt brauchen wir unsere unsere Iliopsoas Muskel-Gruppe, um die (schweren) Beine langsam zu heben, nach vorne zu bringen und abzusetzen. Diese Last wird z.T. im Kreuzbereich getragen und genau hier spüren wir es nach dem ersten Trainingseinheiten! Das verunsichert viele Teilnehmer…

Doch kann man die Schritte viel kleiner machen, um die Last zu vermindern. Schön langsam, aber minimal, ja mühelos soll es sein. Diese Lösung scheint fast zu «einfach» zu sein, so dass wir diesen Vorschlag als «wertlos» betrachten! Wir dürfen aber nicht unterschätzen, wie schwierig es ist, Minimalismus in der Bewegung zu akzeptieren und zu praktizieren.

Was heisst das genau?

1. Wenn der gerade Fuss in die diagonale Position gedreht wird, achten wir darauf, dass wir maximal 45 Grad drehen. Wir brauchen diese «diagonale Position» für die Fussstabilität, doch mehr als 45 Grad drehen führt zu Spannungen im unteren Rücken beim nächsten Schritt.

2. Wenn man den Schritt nach vorne (Fuss wird hier «gerade» abgerollt) macht, ist dies kein grosser Schritt nach Vorne. Ich strecke mein Bein und dort wo meine Ferse den Boden berührt rolle ich den Fuss ab. Es kann sein dass ich nicht mal eine Fusslänge nach vorne «geschritten» bin. Das ist absolut richtig so!

Mit dem Fuss die Hüfte bewegen oder umgekehrt?

Die Drehung des «gewichtlosen» Fusses xü bu (sei dies auf den Fersen oder auf den Fussballen) ist gleichzeitig eine Rotation des Beines/der Hüfte. Zugegeben, das andere Bein wirkt als stabiles Standbein und sie können den «freien» Fuss bewegen lassen. Probieren Sie diese beide Varianten und entscheiden Sie, welche Variante müheloser/angenehmer ist:

— Den Fuss drehen und das Bein und die Hüfte bewegen sich mit.
oder

— Hüfte / Unterbauch drehen und das Bein und der Fuss bewegen sich mit.

Ob Sie bei diesen Varianten Hüfte und Fuss tatsächlich anders bewegen und spüren, oder ob eine Variante schon auf der sprachlichen Ebene weniger belastend ist, ist egal. Je mehr Sie ihre Bewegungen spüren und reflektieren können, desto besser, desto sicher, desto entspannter, desto genussvoller, desto eleganter!